Ein solches Spiel hatte wohl selbst das altehrwürdige Stadion der
Freundschaft noch nicht erlebt. Da ist eine 85 Minuten lethargisch und
mit vielen Fehlern behaftete Preußen-Elf mausetot und kommt dann mit dem
Mute der Verzweiflung zurück in ein Spiel, was eigentlich nur einen
Sieger haben konnte. Eines der unglaublichsten Comebacks der Geschichte
des Thüringer Landespokals zeigte wieder einmal die Faszination des
Fußballs.
Bereits zu Beginn des Matches zeigten die Gäste, dass sie die
schnelle Entscheidung wollten. Caspar lief in der 2. Minute allein auf
Arnold zu, doch sein Querpass ging ins Leere. Aber auch die Preußen
hatten ihre Chance, Eintrachts Rasch trat nach Schönau-Flanke über den
Ball, doch Walter schaltete einen Moment zu spät. Arnold schenkte nach
14 Minuten den Gästen die Führung, er ging am eigenen Fünfmeterraum
gegen Thurnbacher ins Dribbling und hatte das Nachsehen - 0:1. Dann nahm
das Spiel seinen normalen Lauf, Ruthe nahm einen weiteren Fehler der
indisponierten Preußen-Defensive zum Anlass und stellte auf 0:2 (17.).
Arnold zeigte dann bei einem Ludwig-Freistoß sein ganzes Können. Als
Schönau und Walter im Anschluss ihre Einschussgelegenheiten nicht nutzen
konnten, machte Caspar mit all seiner Routine gegen 6 (!) Gegenspieler
das 0:3 (37.) und das Spiel war zum ersten Mal (eigentlich) entschieden.
Nach toller Walter-Flanke knallte Schönau den Ball kurze Zeit später
unter die Latte zum 1:3 (40.), doch Rasch stellte mit dem Halbzeitpfiff
nach einer Ecke den alten Abstand wieder her - 1:4 zur Halbzeit.
Als dann Torjäger Caspar gegen Scholz im Kopfballduell gedanklich und
körperlich schneller war und das 1:5 ins Eck legte, gab keiner der
knapp 200 Besucher auch nur noch einen Pfifferling auf die Geuß-Truppe
und man musste eine dicke Packung befürchten. Das Spiel war zum zweiten
Mal (eigentlich) entschieden. Röths Lattenkopfball und Schönaus zweiter
Treffer zum 2:5, als er von Hatzky bedient Torhüter Röhl keine Chance
aus 12 Metern ließ (65.), schien nur ein kurzes Aufflackern. Die Gäste
hatten (eigentlich) alles im Griff, auch die Doppelchance von Röth und
Schönau, als zweimal nacheinander ein Eintracht-Spieler auf der Linie
retten musste (76.), gab noch keinen Anlass an ein Wunder zu glauben.
Doch dieses gab es in den letzten drei Spielminuten. Röth setzte sich
auf rechts durch, seine Flanke knallte der eingewechselte Karbstein
wuchtig per Kopf in die Maschen. Eine Minute später war es Röth selbst,
der im Nachschuss den Anschluss herstellte und alles ging nun drunter
und drüber. Die Eintracht-Abwehr ein Torso, alle Preußen-Spieler im
Vorwärtsgang. Schönau wurde im Strafraum von hinten umgerissen, doch
Schiedsrichter Reichenbächer sah kein Vergehen. Den Befreiungsschlag
nahm Caspar auf und marschierte allein in Richtung Preußen-Tor, doch
wurde er gemeinsam von Arnold und Scholz im letzten Moment abgeblockt.
Der letzte Angriff brachte Domeinski über rechts frei in
Flankenposition, doch was macht der Capitano, er flankt einfach nicht
und haut die Kugel aus unmöglichem Winkel unter die Latte zum 5:5
(90.+2). Völliges Durchheinander, Jubel, Abpfiff. So etwas gab es noch
nie. Drei Tore in den letzten drei Minuten zum Ausgleich. Gäste Trainer
Stang war völlig konsterniert, zumal seine Mannschaft nach drei Wechseln
durch die Verletzung von Thurnbacher die gesamte Verlängerung mit einem
Mann weniger bestreiten musste.
Und die Verlängerung verlief nicht nur merkwürdig, die
Eintracht-Spieler hatten nichts mehr zum Zusetzen und waren mental und
körperlich am Ende, sondern auch erfolgreich. Krumbein wurschtelte sich
irgendwie durch drei Mann nach einer Ecke durch und lupfte den Ball über
den herausstürzenden Röhl zur erstmaligen Preußen-Führung ins Tor - 6:5
(96.). Und die Preußen durften sich bis zum nochmaligen Wechsel den
Ball in aller Seelenruhe in den eigenen Reihen hin und her schieben, die
Eintracht war platt. In der letzten Wechselpause mahnte Trainer Geuß
jeden noch einmal zur Konzentration, eigene Fahler sollten unbedingt
vermieden werden. Schönau, der in der Verlängerung lief als gebe es kein
Morgen mehr, war in der 107. Minute auf und davon und wurde von Rasch
im Strafraum per Foul gestoppt, Scholz netzte, wie schon am Dienstag in
Gotha, den Elfer sicher zum 7:5 unten rechts ein. Die Eintracht kam zwar
noch einmal zum Anschluss, doch Schiedssrichter Reichenbächer pfiff
nach einer Ecke und Kopfballtor von Kuchmann auf Foulspiel gegen Arnold.
Und als Hatzky und Schönau kurz vor dem Ende allein auf das Gästetor
liefen und der zweifache Torschütze den Ball nicht zum 8:5 unterbringen
konnte, war dies nur noch eine Randnotiz, der Rest ging im Jubel nach
dem Abpfiff unter. Ein Spiel für die Preußen-Geschichtsbücher, 85
Minuten eine enttäuschende Vorstellung und dann das Comeback des Jahres.
Sechs Mann mussten verletzungsbedingt ersetzt werden (Fritz, Bischof,
Skibbe, John, Reinhold, Hausmann), dazu Degner, der arbeitsbedingt
ausfiel. Das ist Fußball und über dieses Spiel wird man wohl auch in
einigen Jahren noch sprechen. Danke an den Kampfgeist der Mannschaft,
nun ist man im Topf für die 2. Runde und hofft natürlich als Belohnung
auf ein attraktives Los.
Statistik zum Spiel:
Torfolge:
0:1 Peter Thurnbacher (14.)
0:2 Felix Ruthe (17.)
0:3 Sebastian Caspar (37.)
1:3 Thomas Schönau (40.)
1:4 Daniel Rasch
(45.)
----------------------------------
1:5 Sebastian Caspar (50.)
2:5 Thomas Schönau (65.)
3:5 Carlo
Karbstein (89.)
4:5 Benjamin Röth (90.)
5:5 Max Domeinski (90.+1)
----------------------------------
6:5
Karsten Krumbeim (96.)
----------------------------------
7:5 Robert Scholz (108./FE)
FSV 1996 Preußen Bad Langensalza:
Sebastian Arnold - Gothe, R. Scholz, Jäger, Steinmetz (42. Krumbein), Hatzky, Domeinski (MK), Walter, Schönau, Schiller (46. Karbstein), Röth
BSV Eintracht Sondershausen:
Röhl - Treuse, Rasch (MK), Caspar, Ruthe (62. Auerbach), Thurnbacher (91. verletzt), Lutze, Stephan Ludwig, Rothe, Sven Ludwig (50. Mosebach), Hesse (68. Kuchmann)
Schiedsrichter: Steffen Reichenbächer (Ermstedt)