Pascal Wollnitzke nippte unmotiviert an seinem Bier. Mitunter schaute
er aber auch nur mit leerem Blick in den Plastebecher, als ob es auf
dessen Grund eine Erklärung für den Spielausgang geben würde. Ja, er
wirkte regelrecht abwesend, irgendwo mit seinen Gedanken da auf der
Terrasse des Roda-Stadions – nur nicht im Hier und Jetzt. Womöglich
befand er sich in seinen Gedanken noch auf dem Platz, denn natürlich
haderte der Verteidiger mit der Niederlage gegen Thüringen Weida. Und
damit war er naturgemäß nicht der Einzige in den Reihen der Grün-Weißen
am Sonnabend irgendwann nach 18 Uhr, als denn die epische
Pokal-Schlacht, bei der alle Optionen ausgeschöpft werden mussten,
endgültig Geschichte war.
Nicht weit von Pascal Wollnitzke saß Florian Klinger – und auch sein
durch und durch leerer Blick sprach Bände. Auch er konnte wohl nicht
fassen, dass am Ende Thüringen Weida die nächste Runde im Landespokal
erreicht hatte – und zwar im Elfmeterschießen. Und bei besagtem
Elfmeterschießen scheiterte Klinger gleich zweimal an Christoph Haase,
da der Unparteiische das erste Unterfangen wiederholen ließ. Ihm
missfiel das Agieren des Weidaer Schlussmannes. Genutzt hatte es nichts,
auch der zweite Versuch von Florian Klinger war nicht von Erfolg
gekrönt, sodass die Gäste vom Fuße der Osterburg nach ihrem anschließend
erfolgreich verwandelten Elfmeter erstmals an diesem Tag in Führung
gingen – 7:6. Als schließlich Martin Rennert den Ball gen Wald schoss,
hatte danach Tobias Metzner die Chance, sein Team in die nächste Runde
des Pokals zu katapultieren – und er traf. Endstand: 9:7 für Thüringen
Weida. Ja, ausgerechnet Metzner, der noch vor zwei Jahren für Grün-Weiß
Stadtroda spielte und am Sonnabend zum ersten Mal wieder im Roda-Stadion
auflief. „Es war etwas Besonderes, hier wieder zu spielen", betonte
Tobias Metzner, der auch darauf verwies, dass es seinem Team immer
wieder gelungen sei, nach Rückschlägen – gleich ob Gegentor oder
Entscheidung des Schiedsrichters – zurückzukommen. Deshalb sei der Sieg
für Weida auch verdient gewesen.
Weder Pascal Wollnitzke noch Florian Klinger wollte man nun in diesen
Momenten da oben auf der Terrasse beim stillen und nach innen
gerichteten Leiden stören. Etwas abgeklärter wirkte da schon Kapitän
Karl Grohs, der an diesem Tag mal wieder der überragende Protagonist bei
Stadtroda war. Er schoss drei Tore (13./41./95.), hätte mindestens noch
zwei weitere erzielen können, traf beim Elfmeterschießen und setzte
phasenweise allein mit seiner bloßen Anwesenheit im Sturmzentrum seine
Gegenspieler massiv unter Druck. „Wenn man sich den Spielverlauf
ansieht, wird deutlich, dass wir das Spiel binnen 90 Minuten hätten
entscheiden müssen. Die letzten Gegentore hätten wir niemals bekommen
dürfen", so das Resümee des Kapitäns. Am Ende müsse man sich
eingestehen, dass sich Weida den Sieg zweifelsohne verdient habe, führte
Karl Grohs weiter aus, der jedoch, Gentleman durch und durch, auch
darauf verwies, dass es allemal ein krasses und auch faires Pokalspiel
gewesen sei – leider mit dem schlechteren Ende für Stadtroda
Von jenem bitteren Ende war in der 86. Minute noch nichts zu erahnen. Da war die Welt des Gastgebers noch
in Ordnung, ja geradezu perfekt. Robin Gerdemann, der für ein halbes
Jahr anlässlich eines Praktikums in Irland verweilen wird, traf in
seinem vorläufig letzten Spiel für die Hausherren zum 4:2. „Ich habe
mich riesig über den Treffer gefreut, habe aber schon gespürt, dass es
noch einmal eng werden wird", sagte Robin Gerdemann, der kurz nach
seinem Treffer ausgewechselt wurde und die folgenden Ereignisse nur noch
als Zaungast erlebte. „Das war harte Kost. Ich konnte mir das gar nicht
anschauen, habe einen Großteil der Verlängerung damit überbrückt,
verschossene Bälle zu suchen", berichtete der Student der
Wirtschaftswissenschaften, der wohl erst im kommenden März zur Rückrunde
wieder das Trikot der Möhre tragen wird. „Ich werde die Jungs auf jeden
Fall vermissen, wir sind eine geile Truppe", so Gerdemann.
Bereits nach 45 Minuten sah es recht vielversprechend für Stadtroda
aus, führte man doch mit 3:1. Zwar kassierte der Gastgeber in der 55.
den Anschlusstreffer durch Maximilian Wetzel zum 3:2 und hatte generell
während der regulären Spielzeit mehr als nur einmal Glück, da die Gäste
mindestens drei Großchancen nicht in etwas Zählbares verwandeln konnten,
doch nach dem Treffer von eben Gerdemann in der 86. Minute schien
Grün-Weiß endgültig auf der Siegerstraße flanieren zu dürfen. Ja, in
jenem Moment glaubte wohl niemand mehr daran, dass Thüringen Weida noch
einmal zurückschlagen würde – klassischer Fall von Denkste: zuerst
verkürzte Tobias Metzner (89.), anschließend egalisierte Maximilian
Wetzel (92.) zum 4:4. Dem einen oder anderen Fan von Stadtroda schwante
danach nichts Gutes.
In der Verlängerung war es erneut das Team von Steffen Richter und
Peter Dauel, welches für sich die Führung beanspruchen konnte. Karl
Grohs verwandelte in der 95. Minute souverän vom Elfmeterpunkt. Dem
Strafstoß war laut Schiedsrichter ein Foul an Stadtrodas Maximilian
Klose vorausgegangen – doch das sahen insbesondere die Gäste anders. Es
folgte ein verbaler Schlagabtausch zwischen Schiedsrichter, Trainer Rico
Pellmann und Spielern von Weida. Am Ende musste Nick Pohland den Platz
verlassen. In der 106. Spielminute egalisierte erneut Maximilian Wetzel
zum 5:5. Nach dem Tor stand Simon Fuchs, der das 1:0 (3.) erzielte und
die Vorarbeit für das 2:0 (13.) von Karl Grohs leistete, fassungslos da.
„Das kann doch nicht wahr sein", sagte der Stürmer. In der 112. Minute
glaubten schließlich die Gäste, dass sie nun die Führung innehätten, als
denn Tobias Metzner beherzt abzog, das Leder an die Latte krachte und
von dort den zum Tor gewandten Niklas Padutsch traf, der so seine liebe
Not hatte, den Ball unter Kontrolle zu bekommen. Man kann nun inbrünstig
darüber streiten, ob der Ball während der Padutschen Rettungsaktion
irgendwann einmal über der Linie war, Fakt war jedoch, dass der
Schiedsrichter kein Tor gab – und danach lagen die Nerven bei den „Jungs
von der Osterburg" komplett flach. Das allgemeine Palaver mutierte zum
regelrechten Rap-Battle. Am Ende musste Weidas Tim Urban mit direkt Rot
den Platz verlassen. Es blieb beim 5:5. Ergo: Elfmeterschießen.
„Wir sind sicherlich selbst schuld, doch am Ende kann ich der
Mannschaft keinen Vorwurf machen. Sie hat sich gegen ein höherklassiges
Team lange Zeit behauptet", resümierte Co-Trainer Peter Dauel.
Überschattet wurde das Pokalspiel indes von der Verletzung von
Innenverteidiger Johannes Carl in der 23. Minute, der sich bei einem
Sturz den Ellenbogen ausgekugelte. Der Notarzt musste gerufen werden,
die Partie ruhte für über 20 Minuten. „Das ist total bitter für ihn,
zumal das auch noch bei seinem Debüt für uns passiert ist", sagte Peter
Dauel.
Ach ja, ob denn der Ball nach seinem Schuss in der 112. Minute die
Torlinie überquert hatte, konnte Tobias Metzner auch nicht beantworten.
Das habe er schlichtweg nicht sehen können. Und was ging ihm beim seinem
Elfmeter durch den Kopf, der Weida letztlich den Sieg bescherte? „Gar
nichts. Ich habe einfach alles um mich herum ausgeblendet und
geschossen."
Die Statistik zum Spiel:
Torfolge: 1:0 Simon Fuchs (3.) 2:0 Karl Grohs (13.) 2:1 Nick Pohland (26.) 3:1 Karl Grohs (41.) ------------------------------------------ 3:2 Maximilian Wetzel (55.) 4:2 Robin Gerdemann (86.) 4:3 Tobias Metzner (89.) 4:4 Maximilian Wetzel (90.+2) ------------------------------------------ 5:4 Karl Grohs (95./ST) ------------------------------------------ 5:5 Maximilian Wetzel (106.)
6:5 Karl Grohs 6:6 Patrick Leutloff 6:6 - Stadtroda verschießt 6:7 Christian Gerold 7:7 Fritz Pöckel 7:8 Kai Schumann 7:8 - Stadtroda verschieß 7:9 Tobias Metzner
FSV Grün-Weiß Stadtroda: Padutsch - Schwarz (68. Klose), Grohs (C), Pöckel, Klinger, Fuchs, Wollnitzke, Lelle (108. Schott), Carl (23. Hoffesommer), Gerdemann (90. Weise), Rennert
SpG Weida/Wünschendorf: Haase - Urban (112. RK), Kolnisko, Schumann, Zausch (46. Gerold), Nick Pohland (94. GRK), Hodek (88. Mihov), Oxenfart (88. Lätz), Leutloff (C), Wetzel, Metzner
Zuschauer: 96
Schiedsrichter: Wolfgang Gäbler (Vieselbach)
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